Frau Torralbo-Campo, Frau Mebben, warum ist Weltraumforschung so wichtig und was haben Quantentechnologien damit zu tun?
Dr. Lara Torralbo-Campo: Technologie war schon immer wichtig für die Gesellschaft und gerade jetzt erleben wir eine weitere technologische Revolution - die Revolution der Quantentechnologien. Quantentechnologien versprechen, die Grenzen klassischer Technologien zu überwinden.
Quantentechnologien haben nicht nur Einfluss auf unser tägliches Leben - etwa in der Medizin oder Pharmazie -, sondern sind auch für Raumfahrtanwendungen von großer Bedeutung. Quantentechnologien können zum Beispiel in Satelliten integriert werden. Auf diese Weise können sie uns mit einer besseren und sichereren Internetkommunikation unterstützen.
In der Familie der Quantentechnologien sind die Quantensensoren am weitesten fortgeschritten. Es gibt bereits viele „Proofs of concept“ und sie können bereits Magnetfelder, elektrische Felder, Zeit, Schwerkraft, Rotation, Beschleunigung, Druck, Temperatur usw. messen. Für den Einsatz in Satelliten gibt es viele hochrelevante Anwendungen, z. B. in der Erdbeobachtung zur Überwachung des Klimawandels.
Darüber hinaus sind Weltraumanwendungen der Quantentechnologien auch für die Grundlagenforschung von Bedeutung, etwa bei der Suche nach dunkler Materie, der Natur der Schwerkraft oder der Messung der Quanteneigenschaften von Elementarteilchen.
Worum geht es im Projekt QYRO, und warum ist es für die Gesellschaft wichtig?
Torralbo-Campo: QYRO ist ein fünfjähriges Verbundprojekt, das vom BMBF gefördert wird. Es wird von Q.ANT geleitet und die Projektpartner sind Bosch, die TRUMPF-Gruppe, das Ferdinand-Braun-Institut (FBH) und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Ziel ist es, den ersten Quantensensor im Weltraum für Satellitenanwendungen zu demonstrieren. Der Sensor basiert auf einem NMR-Atomgyroskop, das heißt, er misst Rotation. Das ist wichtig, denn um ein Netzwerk von Satelliten für die Kommunikation zu schaffen, müssen diese Satelliten sehr genau ausgerichtet werden, um die optischen Verbindungen zueinander herzustellen. Das funktioniert bereits heute mithilfe von Gyroskopen, aber wir möchten zeigen, dass unser Quantengyroskop noch präziser und kompakter ist.
Daher werden wir im Rahmen des QYRO-Projekts zunächst das Gyroskop mithilfe der verschiedenen Partner entwickeln, es einsatzbereit für den Weltraum machen, dann in den Weltraum schießen und schließlich seine Leistung in einem CubeSat-Satelliten auf einer niedrigen Umlaufbahn überprüfen. Die Daten aus der Messkampagne werden mit bestehenden Gyroskopen verglichen. Wenn das gut funktioniert, ist das langfristige Ziel, ein Netzwerk von Satelliten mit dem QYRO-Sensor aufzubauen, um die Verfügbarkeit von Internet in sehr abgelegenen Regionen zu verbessern. Da wir in einer vernetzten Welt leben, ist eine stabile und sichere Datenkommunikation entscheidend für unsere Gesellschaft.
Sandra Mebben: Viele Technologien, die im und für den Weltraum entwickelt werden, können auch auf der Erde eingesetzt werden. Das gilt auch für unser Gyroskop: Es könnte in Zukunft für das autonome Fahren eingesetzt werden, was ein weiteres hochrelevantes Thema für unsere zukünftige Mobilität und damit unsere Gesellschaft ist.
Welche Fähigkeiten und Qualifikationen braucht es für ein ehrgeiziges Projekt wie QYRO? Aus welchen Personen setzt sich Ihr Team zusammen?
Mebben: Um QYRO zum Erfolg zu führen, brauchen wir ein ganzes Bündel unterschiedlicher Qualifikationen. Zunächst einmal brauchen wir Physikerinnen und Physiker für die Grundlagenforschung. Während sie sich hauptsächlich auf die theoretischen und simulierenden Aspekte konzentrieren, brauchen wir auch verschiedene Arten von Ingenieurinnen und Ingenieuren für die praktische Arbeit. Sie richten alles im Labor ein, führen Messungen durch und verbessern den Versuchsaufbau. Im Labor ist ein Hintergrund in Photonik hilfreich. Man sollte wissen, wie man mit Licht und elektromagnetischer Strahlung umgeht. Darüber hinaus sind für verschiedene Aufgaben im Projekt Programmier- und Informatikkenntnisse sowie ein Hintergrund in der Raumfahrttechnik hilfreich.
Und nicht zuletzt erfordert ein Projekt wie QYRO ein hohes Maß an Projektmanagement. Es ist eine große Herausforderung, den Zeitplan einzuhalten, die Partner zu koordinieren usw. Daher braucht nicht jede Person im Projekt unbedingt tiefes Fachwissen, sondern man kann auch mit guten Projektmanagement-Fähigkeiten Teil der Reise sein.
Torralbo-Campo: Bei einem Projekt wie diesem geht es vor allem um Teamarbeit. Jede und jeder hat einen anderen Hintergrund, und nur durch die Kombination dieser Fähigkeiten können wir das Ziel des Projekts erreichen.
Was fasziniert Sie persönlich an diesem Projekt? Warum arbeiten Sie gerne daran?
Torralbo-Campo: Für mich ist dieses Projekt das ideale Arbeitsszenario, weil es meine beiden Leidenschaften miteinander verbindet. Ich habe auf dem Gebiet der Quantenoptik, genauer gesagt der kalten Atome, promoviert. Damals ging es um reine Grundlagenforschung, und die potenziellen Anwendungen für Quantentechnologien waren zwar bekannt, aber noch nicht absehbar. Aber innerhalb weniger Jahre haben sich die Quantentechnologien aus dem Labor heraus schnell zu Unternehmen und Start-ups entwickelt. Das war faszinierend zu beobachten. Gleichzeitig war ich schon immer vom Weltraum fasziniert und die Astrophysik war eine Zeit lang meine Leidenschaft. QYRO ist also eine großartige Gelegenheit, diese beiden Themen miteinander zu verbinden.
Mebben: Weltraumanwendungen begleiten mich schon seit geraumer Zeit. Mein erster Job nach dem Studium war ein Weltraumprojekt, damals noch ein Festkörperlaser. Das war unglaublich spannend, und ich bekam ein Gefühl für die Dimension der Arbeit an einem solchen Weltraumprojekt. Ich bin dann von den sehr großen Gaslasern, die einen Raum von 100 Quadratmetern ausfüllen, zu kleineren Aufbauten gekommen. Die ganze Zeit über war ich am Puls der Zeit, und das finde ich fantastisch - an der Geschichte der Technologie mitzuschreiben, zu sehen, wie neue Technologien entstehen und ob sie sich auf dem Markt durchsetzen.
Womit ich in der Vergangenheit noch nicht in Berührung gekommen bin, sind Quantensensoren. Ich hatte mich zwar schon im Studium mit Quanteneffekten beschäftigt, aber nie selbst praktische Erfahrungen damit gemacht. Jetzt finde ich die Möglichkeit unglaublich spannend, dies im Labor zu beobachten. QYRO begann mit einem leeren optischen Tisch. Und jetzt entwickelt sich dort etwas, wir können echte Messungen machen. Zu sehen, wie aus der Theorie die Praxis wird, ist für mich einfach fantastisch.
Würden Sie gerne einmal selbst ins All fliegen? Warum eigentlich? Und warum nicht?
Mebben: Ehrlich gesagt nicht. Ich weiß nicht genau, warum, aber ich hatte nie den Wunsch, ins All zu fliegen. Dieser Gedanke kam mir einfach nie in den Sinn, vielleicht bin ich dafür einfach ein zu bodenständiger Mensch. Nichtsdestotrotz freue ich mich sehr darüber, an diesem Projekt hier auf der Erde mitzuwirken, und auf diese Weise etwas für den Weltraum zu schaffen.
Torralbo-Campo: Bei mir ist das Gegenteil der Fall. Ich habe immer davon geträumt, ins All zu fliegen. Ich wollte Astronautin werden, dann Astronomin, und schließlich bin ich Physikerin geworden. Also ja, ich würde gerne ins All fliegen. Aber in der Zwischenzeit macht es mir Spaß, einen Sensor zu entwickeln, der ins All fliegen kann. Irgendwie fühlt es sich so an, als würde ein Teil von uns dorthin fliegen.
Hintergrund
Im Wissenschaftsjahr 2023 - Unser Universum werfen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft aus unterschiedlichen Perspektiven einen Blick von der Erde ins All ... und wieder zurück. Von Ausstellungen über Schulaktivitäten bis hin zu Mitmachaktionen: Das Wissenschaftsjahr 2023 lädt Jung und Alt zu einem spannenden Austausch mit Wissenschaft und Forschung ein.