Frau Dr. Pappa, denken Sie, es ist wichtig, Mädchen und Frauen in den Wissenschaften und insbesondere den Quantentechnologien gezielt zu fördern? Wenn ja, warum?
Ich denke, die Tatsache, dass wir uns mit diesem Thema überhaupt beschäftigen, zeigt schon, dass wir noch nicht genug getan haben, um Mädchen und Frauen in der Wissenschaft zu unterstützen und zu inkludieren. Es ist offensichtlich, dass Frauen im MINT-Bereich immer noch stark unterrepräsentiert sind, und das gilt auch für die Quantentechnologien. Noch deutlicher wird das, wenn wir uns die akademische Welt anschauen. Ich habe schon erlebt, dass ich einen Konferenzsaal betrat und Schwierigkeiten hatte, eine einzige andere Frau im Publikum zu finden. Ein solches männerdominiertes Umfeld kann ein Hindernis sein für junge Frauen, die in ein wissenschaftliches Fachgebiet einsteigen wollen. Und zwar aus mehreren Gründen: Es kann großen Druck erzeugen, das Gefühl zu haben, man müsse das eigene Geschlecht als Minderheit repräsentieren. Aber auch das Gefühl von Ausgrenzung kann entstehen. Wir müssen deshalb die Art und Weise verändern, mit der Mädchen und Frauen das Arbeitsumfeld in der Wissenschaft wahrnehmen und erleben. So können wir es ihnen ermöglichen, Stereotype aufzubrechen und frei ihren eigenen Karriereweg zu gestalten.
Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Stellschrauben und Möglichkeiten, um mehr Mädchen und Frauen in Wissenschaft und Technologie, insbesondere in die Quantentechnologien zu bringen?
Es ist wichtig, bei der frühen Ausbildung anzusetzen, wenn die Ideen für die eigene Karriere geformt werden. Aktionen wie der “Girls’ Day” sind eine gute Möglichkeit, das Interesse an wissenschaftlichen Themen zu erhöhen. Außerdem sind natürlich weibliche Vorbilder extrem wichtig. Deutschland hat ein gutes Verhältnis von weiblichen zu männlichen Studierenden zu Beginn des Studiums. Das bleibt aber nicht so, sondern ändert sich spätestens, wenn man sich Doktorandinnen und Doktoranden, Postdocs und schließlich Vollzeit-Forschende und Professuren anschaut. Das kann man mithilfe gezielter Förderprogramme für junge Forscherinnen ändern, und indem man die Zahl von Professorinnen an Universitäten erhöht.
Was ist die Idee des vom BMBF geförderten Projekts QuExplained, in dem Sie mitarbeiten?
Das Projekt QuExplained zielt darauf ab, Schülerinnen und Schülern Quantencomputing und -kommunikation nahezubringen. Zusammen mit Prof. Katharina Simbeck von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin entwickeln wir einen Ansatz zur Wissensvermittlung, der diese relativ schwierigen Themen einfach, unterhaltsam und bewusst genderneutral darstellt. Wir haben bereits viele Seminare an weiterführenden Schulen organisiert, am Girls’ Day 2021 teilgenommen und planen gerade einen Quantum Hackathon für Schülerinnen und Schüler. Außerdem entwickeln wir Unterrichtsmaterialien für Schülerinnen und Schüler, die online verfügbar sein werden.
Auf welche Weise unterstützt und motiviert QuExplained insbesondere Mädchen und junge Frauen auf ihrem Weg in (Quanten-)Physik und (Quanten-)Technologien?
Da unser Ansatz bewusst genderneutral ist, schließt er in keiner Weise Schülerinnen aus den Themen der Quantentechnologien aus. Außerdem ist es wichtig und hilfreich, dass die Aktionen von zwei Akademikerinnen organisiert und durchgeführt werden. Es zeigt den jungen Frauen, dass wissenschaftliche Karrieren im MINT-Bereich für jede und jeden möglich sind. Zu guter Letzt war auch unsere Teilnahme am Girls’ Day ein wichtiger Faktor. Dabei hat uns IBM unterstützt mit einer Ingenieurin, die mit den Mädchen über ihre Karriere in der Quantenindustrie diskutiert und ihnen Einblick in die beruflichen Möglichkeiten gegeben hat.
Was ist die Idee hinter den Emmy Noether Nachwuchsgruppen und was macht Ihre Gruppe konkret?
Das Emmy Noether Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gibt Forschenden am Anfang ihrer Karriere die Möglichkeit, sich für eine Professur an einer Universität zu qualifizieren. Dazu leiten sie sechs Jahre lang eine unabhängige Nachwuchsforschungsgruppe. Ich habe 2020 die Nachwuchsgruppe „Quantum Communication und Cryptography“ an der Technischen Universität (TU) Berlin gegründet. Unser Ziel ist, die nötigen Komponenten für zukünftige Quantennetzwerke und großflächiges Quanten-Cloud-Computing zu bauen. Wir erforschen Lösungen, die es Nutzerinnen und Nutzern erlauben werden, ihre Daten sicher in einem Quantennetzwerk zu speichern und zu verarbeiten. Insbesondere arbeiten wir an der Sicherheit von Protokollen für zukünftige Quantennetzwerke, die von bekannter Schlüsselverteilung bis zu generellen Mehrparteien-Protokollen reichen. Und wir interessieren uns allgemein für Anwendungsfälle, bei denen sich der Quantenvorteil sinnvoll nutzen lässt.