QuantERA – Transnationale Förderung für die Quantentechnologien
Quantentechnologien bringen zahlreiche Chancen für neue Anwendungen in Industrie und Gesellschaft mit sich –in der Informationsübertragung und -verarbeitung, fürhöchstpräzise Mess- und Abbildungsverfahren oder für dieSimulation komplexer Systeme. Szenarien sprechen davon,die Magnetfelder des Gehirns zu vermessen und Alzheimeroder Parkinson besser zu verstehen, den Verkehrsfluss zuoptimieren und Staus zu vermeiden oder neue Werkstoffeund Katalysatoren allein auf der Grundlage von Simulationen zu entwickeln. Quantentechnologien schaffen dafür die Basis und haben das Potenzial, heute vorhandene technische Lösungen etwa in der Sensorik oder beim Computingdeutlich zu übertreffen.
Die Quantentechnologien besitzen an vielen Stellen das Potenzial, in Anwendungsfeldern und Märkten eine dominante Rolle zu spielen. Allerdings steht das Feld noch am Anfang der Technologieentwicklung. Um Anwendungen zu erschließen bedarf es noch erheblicher Forschungsanstrengungen. Mit der transnationalen ERA-NET Maßnahme QuantERA unterstützt das BMBF zusammen mit Akteuren der anderen Teilnehmerländer und der Europäischen Kommission die Forschung im Bereich der Quantentechnologien.
Perspektivisch betrachtet sind ERA-NET Instrumente für eine bedarfsgerechte und flexible transnationale Förderung als Ergänzung zur rein nationalen Förderung einerseits und zu den europäischen EU-Forschungsrahmenprogrammen andererseits.
Blinde Quantenkontrolle
Heutzutage ist man in der Lage, einfache Quantensysteme, wie zum Beispiel Elektronen, Atome, Moleküle oder Photonen vollständig zu kontrollieren und diese ganz gezielt in einen bestimmten Quantenzustand zu versetzen. Daraus ergeben sich diverse Anwendungen wie abhörsichere Kommunikationskanäle, ultra-empfindliche Sensoren und neuartige elektronische Bauteile. Da sie die Quantenphysik als Ressource nutzen, sind sie theoretisch leistungsfähiger als andere Ansätze. Diese quantenmechanische Ressource kann durch die Synergie vieler Teilchen sogar noch verbessert werden. Jedoch wird es immer schwieriger die Kontrolle über ein System mit wachsender Teilchenzahl zu behalten. Typischerweise wächst die Anzahl der möglichen quantenmechanischen Zustände exponentiell mit der Anzahl der Teilchen. Für ein System bestehend aus 50 Teilchen mit nur zwei Freiheitsgraden gibt es quantenmechanisch betrachtet bereits deutlich mehr Zustände als Sterne in unserer Milchstraße. Selbst mit einem Supercomputer kann
man daher heute maximal das Verhalten von ca. 50 Teilchen simulieren. Entscheidend für diese Komplexität ist, dass die Teilchen miteinander wechselwirken können. Man hat typischerweise eine klare Vorstellung, wie diese Wechselwirkungen aussehen können, jedoch können kleine Abweichungen von diesen Modellvorstellungen große Auswirkungen haben. Erschwerend kommt hinzu, dass man das zu untersuchende System nicht perfekt von der Umwelt isolieren kann, weil man es natürlich noch initialisieren und auslesen muss. In den meisten Fällen ist diese Kopplung an die Umwelt sehr komplex und kann daher nur mit heuristischen Methoden behandelt werden.
Das Ziel in unseren Experimenten ist es, ganz gezielt einen Zustand vieler tausend Teilchen herstellen zu können, der z.B. besonders starke Quantenkorrelationen zwischen den Teilchen aufweist. So ein Zustand kann dann in Quantensimulatoren oder Quantencomputern eingesetzt werden. Es ist also bekannt, welchen Zustand man erzeugen will, aber der Weg dahin nicht. Hier kommt nun die Quantenkontrolle zum Einsatz. Bislang benutzen Forscher die limitierten Kenntnisse, die sie über das System haben, um einfache Modellrechnungen zu erstellen und dann in Kombination mit einem klassischen Optimierungsprozess eine optimale Kontrollsequenz zu finden. In unserem Projekt wollen wir einen etwas anderen Weg gehen und dabei ganz auf die mikroskopischen Kenntnisse verzichten. Daher der Name „blinde Quantenkontrolle“. Die Schwierigkeit liegt darin, Algorithmen zu entwickeln, welche die quantenmechanischen Eigenschaften des Systems berücksichtigen. Im Detail werden einige Testmessungen an dem System vorgenommen, aus denen die Kontrollsoftware eine neue, bessere Sequenz vorschlägt. Durch mehrmalige Iteration wird dann ein optimaler Weg zum Ziel gefunden. Dabei ist es sogar vorgesehen, das System nicht sanft in den Endzustand zu überführen (zumal dies sehr lange dauern kann), sondern dass es sich auch extrem „aufschaukeln“ darf. Als Modellsystem verwenden wir ultrakalte Rydbergatome (hoch angeregte Atome), da diese besonders stark miteinander wechselwirken. Dazu werden zunächst schwach wechselwirkende Rubidiumatome in einer Ultrahochvakuumkammer auf Bruchteile von einem Grad Celsius über die absolute Niedrigsttemperatur von -273,15 °C abgekühlt. In einem nächsten Schritt werden die Atome in einen Rydbergzustand versetzt. Diese Anregung ist aber nun sehr komplex, weil sich die Rydbergatome durch die starke Wechselwirkung gegenseitig blockieren. Der energetisch günstigste Zustand ist dann gerade der, in dem ein maximaler Abstand zueinander erreicht wird und sich zugleich eine kompakte Anordnung der Atome – ähnlich wie bei Orangen in einer Kiste – in der Vakuumkammer ergibt. Die Qualität dieser kristallinen Struktur kann dann mit einer speziellen Abbildungstechnik betrachtet werden und anschließend verbessert werden.
Projektdetails
Projektlaufzeit:
01.08.2018 - 31.07.2021
Projektvolumen:
ca. 308.000 € (BMBF-Förderquote 100%) – deutsche Partner Universität Stuttgart
Projektkoordination
Dr. Robert Löw
Universität Stuttgart
5. Physikalisches Institut
Pfaffenwaldring 57
70569 Stuttgart
Projektpartner
Stuttgart / Germany