Erstellt von Quantentechnologien

"Erfolgreiche Ausgründungen brauchen eine geeignete Infrastruktur."

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In unserer neuen Interviewreihe stellen wir spannende Persönlichkeiten vor, die den Schritt heraus aus der Forschung gewagt und ein Unternehmen gegründet haben. Mit Martin Hermatschweiler haben wir über Nanoscribe und den Weg vom Start-up zu einem etablierten Unternehmen mit über 100 Mitarbeitenden gesprochen.

Herr Dr. Hermatschweiler, wie kam es zur Gründung Ihres Unternehmens Nanoscribe?

Das Start-up ging hervor aus einer Arbeitsgruppe unter der Leitung von Martin Wegener, Professor am Institut für Angewandte Physik des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und Abteilungsleiter am dortigen Institut für Nanotechnologie. Gemeinsam mit ihm, Prof. Georg von Freymann und Dr. Michael Thiel gründete ich Nanoscribe im Jahr 2007 als erstes erfolgreiches Spin-off des KIT. In Deutschland herrschte damals Aufbruchstimmung, denn zu dieser Zeit wurde erstmals eine Exzellenzinitiative ausgerufen. Das KIT wurde als eine der ersten deutschen Hochschulen als Exzellenzuniversität ausgewählt. Zugleich haben wir mit der Zwei-Photonen-Polymerisation (2PP) auf eine Technologie gesetzt, mit Potenzial für viele Anwendungen und große Märkte.

Die theoretische Grundlage der 2PP legte die spätere Nobelpreisträgerin Maria Goeppert-Mayer bereits im Jahr 1931. Doch es dauerte weitere drei Jahrzehnte bis zur Entwicklung des Lasers durch Theodore Maiman. Die beiden japanischen Physiker Shoji Maruo und Satoshi Kawata wiesen dann im Jahr 1997 experimentell das Prinzip der Zwei-Photonen-Polymerisation nach. Der erste 3D-Drucker von Nanoscribe ebnete 2007 den Weg für 2PP – von einer wissenschaftlichen Kuriosität hin zu einem Standardwerkzeug für die Forschung in Mikrofabrikationslaboren und später in ersten industriellen Schlüsselmärkten.

Wir haben 2007 als Vier-Personen-Ausgründung begonnen und sind seit Mai 2022 ein Unternehmen mit mehr als 100 hochqualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Davon arbeitet über ein Drittel in der Forschung und Entwicklung, weil die Weiterentwicklung unserer Kerntechnologien ein zentrales Unternehmensziel ist.

Was ist die Unternehmensidee, worum geht es?

Nanoscribe ist Pionier im Bereich des hochpräzisen 3D-Drucks. Wir entwickeln Mikrofabrikationstechnologien zur Fertigung von Objekten und Strukturen im Größenbereich von weniger als einem Mikrometer bis zu einigen Zentimetern. Diese Strukturen und Objekte haben wiederum Details mit noch kleineren Abmessungen bis hinunter zu einigen hundert Nanometern. Inzwischen sind mehr als 3.000 aktive Systemanwenderinnen und -anwender in der Nanoscribe-Community. Auf Basis unserer hochpräzisen 3D-Drucker treiben sie die Spitzenforschung und industrielle Innovationen voran in Bereichen wie der Mikrooptik, der Integrierten Photonik, im Photonic Packaging, der Mikromechanik, der Materialentwicklung und Mikrofluidik sowie in den Biowissenschaften.

Warum und wofür ist diese Technologie wichtig?

2PP entfaltet ihr volles Potenzial an der Schnittstelle zwischen der maskenlosen Lithografie und der additiven Fertigung. Sie ist ein grundlegendes Werkzeug in der 3D-Mikrofabrikation und erweitert die Möglichkeiten von 2D-Mikrofabrikationstechnologien wie der Elektronenstrahllithografie oder dem Direkten Laserschreiben auf die Herstellung dreidimensionaler Strukturen und Objekte.

Die Einsatzbereiche unserer hochpräzisen 3D-Drucktechnologie sind vielfältig. Einem Forschungs-Team der Universitäten Stuttgart und Adelaide (Australien) ist zum Beispiel die Herstellung des weltweit kleinsten Endoskops gelungen. Das Medizingerät ermöglicht minimalinvasive Untersuchungen innerhalb von Blutgefäßen mit einem Durchmesser von nur knapp einem halben Millimeter. Mithilfe unserer 3D-Mikrofabrikationstechnologie konnten die Forschenden die für das medizinische Gerät erforderliche lichtstrahllenkende Präzisionsoptik auf die Facette einer Glasfaser drucken, um Bilder von hoher Qualität aus dem Inneren der Gefäße heraus aufnehmen zu können.

Inwiefern ist Ihre Technologie auch für das Themenfeld Quantentechnologien relevant?

Eine Herausforderung im Bereich der Quantentechnologien und speziell in der photonischen Integration, optischen Datenverarbeitung und -kommunikation sowie der Sensorik und Bildgebung sind Lösungen für den exakt ausgerichteten 3D-Druck optischer Komponenten für das Photonic Packaging. Dafür ist unsere hochpräzise additive Fertigungstechnologie eine Enabling Technology. Wir engagieren uns daher in öffentlich geförderten Projekten im Bereich der Integrierten Photonik, um für zukunftsweisende Anwendungen der Quantentechnologie, Sensorik und Datenkommunikation notwendige Mikrofabrikationstechnologien weiterzuentwickeln und für diese Anwendungsszenarien zu validieren.

Im BMBF-geförderten Projekt MiLiQuant beispielsweise entwickeln wir mit unseren Projektpartnern weitgehend ausrichtungs- und wartungsfreie Strahlungsquellen für industrielle Anwendungen. Diese Lösung ist vielversprechend für neuartige Sensoren in der medizinischen Diagnostik und für das autonome Fahren sowie für quantenbasierte bildgebende Verfahren in der Medizintechnik.

Auf welchen Grundlagen aus der Forschung des KIT basieren das Unternehmen bzw. seine Produkte?

Am KIT wurden 2001 erste Laboraufbauten zur 2PP innerhalb der Arbeitsgruppe von Prof. Wegener in Betrieb genommen. Damit war der Grundstein für erste Forschungsarbeiten gelegt, die schließlich in einem Demonstrator zur Kommerzialisierung der Mikrofabrikationstechnologie mündeten.

Seit der Gründung von Nanoscribe 2007 bestehen fortlaufende Kooperationen, gemeinsame Förderprojekte und Forschungsaktivitäten mit dem KIT zu anschlussfähigen Technologien und in neuen Anwendungsfeldern. Außerdem kam der vor den Toren des KIT Campus Nord im Januar 2020 fertiggestellte ZEISS Innovation Hub @KIT als neuer Firmensitz für Nanoscribe wie gerufen. Denn so konnte im Jahr 2020 die Produktion unseres maskenlosen Lithografiesystems Quantum X in diesen Räumlichkeiten an den Start gehen.

Die Nähe zum KIT und der Technologieregion sind für Nanoscribe noch immer wichtig, gerade wenn es um die Rekrutierung gut ausgebildeter Fachkräfte und ein verlässliches Netz aus Partnern und Zulieferern geht. Allen voran ist aber auch das besondere Umfeld im ZEISS Innovation Hub @KIT, das für exzellente Innovations- und Gründeraktivitäten steht, ein optimaler Rahmen für die Entwicklung der Mikrofabrikationstechnologien von morgen.

Inwieweit ist die öffentliche Förderung konkreter Forschungsprojekte wichtig für die Gründung von Unternehmen und die Entwicklung anwendbarer Produkte?

Die 2PP stammt ursprünglich aus einer reinen Grundlagenforschung und ist ein Paradebeispiel für erfolgreichen Technologietransfer. Dass sich aus Grundlagenforschung eine Technologie entwickelt, die in einem Werkzeug – wie in unserem Fall einen neuartigen 3D-Drucker – mündet, ist nicht selbstverständlich. Denn dazu muss zum einen Grundlagenforschung gefördert werden, zum anderen muss es eine geeignete Infrastruktur für erfolgreiche Ausgründungen geben. Und auch das Wachstum von Unternehmensgründungen ist stark von den Rahmenbedingungen vor Ort abhängig.

Vor allem in frühen Phasen ist eine öffentliche Förderung essenziell, denn zu diesem Zeitpunkt sind die technologische Reife, mögliche Anwendungen sowie die Marktfähigkeit der neuen Technologie noch nicht abschließend abzuschätzen. Auch die Abgrenzung zu bestehenden Verfahren und konkurrierenden Technologien ist häufig noch unklar oder allenfalls grob skizziert, sodass der Sprung in eine unternehmerische Aktivität ohne öffentliche Förderung im Rücken ein sehr großes Wagnis für junge Unternehmen darstellt.

Eine weitere Herausforderung ist, dass Anwendungen meist nur in beharrlicher Arbeit über mehrere Jahre hinweg und in einem engen partnerschaftlichen Verbund entstehen. Ohne Förderung als geschützten Rahmen würde diese verbindliche Zusammenarbeit nicht bestehen bleiben, sondern kurzfristig orientierte Ziele in den Vordergrund rücken. Daher sind Kooperationsverträge ein wichtiges Bindeglied für die synergetische Verwertung der Ergebnisse der Zusammenarbeit.

Was sind die nächsten Schritte des Unternehmens? Wie geht es weiter?

Unsere Mikrofabrikationstechnologien werden unterschiedliche Forschungsdisziplinen und Märkte vorantreiben, in denen wir uns verstärkt engagieren werden.
Das ist erstens die industrielle Mikrofabrikation abformbarer Oberflächen und das insbesondere für mikrooptische Anwendungen. Wir sehen in der Kombination aus 2PP-basiertem Mastering und etablierten Replikationsverfahren ein großes Potenzial unserer Technologie.

Ein weiterer Zukunftsmarkt ist die direkte, additive Fertigung im Bereich der Integrierten Photonik und des Photonic Packagings. Photonisch-integrierte Ansätze sind entscheidend für moderne Anwendungen in Bereichen wie der künstlichen Intelligenz und im Quantencomputing.
Ein dritter Trend ist die Biokonvergenz. Die BICO-Gruppe, der wir seit Juni 2021 angehören, fungiert als Motor, um Perspektiven und Lösungen der Biologie und Medizin mit jenen der Ingenieurswissenschaften und der additiven Fertigung zu fusionieren.

Für uns ist außerdem spannend, dass wir seit Mai 2022 aus einem Team von über 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bestehen. Und das an drei Standorten, denn neben unserem Hauptsitz in Karlsruhe haben wir noch Vertriebs- und Servicestandorte in Shanghai und Boston. In diesem Jahr steht für uns im Dezember außerdem bereits das 15-jährige Bestehen an, das wir als weiteren wichtigen Meilenstein feiern werden.

Was hat Sie ganz persönlich zur Gründung motiviert bzw. motiviert Sie für die kommenden nächsten Schritte?

Es ist meine tiefe Überzeugung, dass wir mit unseren Mikrofabrikationslösungen eine Schlüsseltechnologie bereitstellen, die die Welt in vielen Bereichen verändern wird. Und das sind zentrale Felder wie Kommunikations- und Informationstechnologien sowie die Datenverarbeitung, aber auch die Medizintechnik und das Gesundheitswesen. Die Miniaturisierung prägt ganz viele Lebensbereiche und hat damit zentralen Einfluss auf die Gesellschaft, aber heruntergebrochen auch auf das Leben jedes einzelnen Menschen. Dass wir mit unserer Mikrofabrikationstechnologie genau hier ansetzen, ist damit jeden Tag aufs Neue herausfordernd und zugleich sinnerfüllend. Natürlich macht es mich auch glücklich, die Nanoscribe-Drucker auf der ganzen Welt im Einsatz zu wissen und zu sehen, wie damit heute schon innovative Produkte gefertigt werden und wie außerdem in der Forschungscommunity damit nachhaltig an den Technologien und Anwendungen von Morgen gearbeitet wird.

Unsere Interviewreihe erzählt themenübergreifend Gründungsgeschichten aus Quantentechnologien und der Photonik. Eine weitere Ausgabe mit Kevin Füchsel zur Gründung von Quantum Optics Jena finden Sie hier. Außerdem haben wir mit Matthias Schmitz von K | Lens und Guilin Xu von Nanoscale Glasstec gesprochen.

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Martin Hermatschweiler ist Mitgründer und Chief Executive Officer der Nanoscribe GmbH & Co. KG. Seine wesentliche Aufgabe als CEO ist die Unternehmensentwicklung insbesondere durch die Erschließung neuer Märkte. Die wissenschaftliche Expertise des Physikers liegt in der Laserstrukturierung von Polymeren sowie in deren Abformung in optisch hochbrechende Materialien. Die Zeitschrift Capital listete ihn 2015 als Jungunternehmer in der Kategorie "Junge Elite - die TOP 40 unter 40".
Bild: Nanoscribe GmbH & Co. KG